22.09. bis 04.10.2007
Gerade setzen wir uns nach getaner Arbeit draussen hin, da kommt Gilberto mit seinem WoMo angefahren.
Wir hatten uns zwar per mail verabredet, aber das klappt ja nicht immer. So ist die Freude auf beiden Seiten groß, dass wir uns hier sehen.
Nachmittags tauchen auf einmal seine ehemalige Kollegin Eldis, die wir schon von Brasilia kennen und ihre Freundin auf. Beide sprechen Englisch, was natürlich das Leben für uns erleichtert. Womit aber auch die nächsten Tage bereits verplant sind. Gilberto nimmt uns wieder unter seine Fittiche:
„Ihr allein nach Rio? Auf keinen Fall, das ist viel zu gefährlich, jeden Tag wird jeder überfallen und ermordet!“ Oder umgekehrt?
Aber: die beiden Freundinnen arbeiten dort, gehen mittags über den Mercado, zur Physiotherapie,
al kilo essen, auch die Parks sollen sehr schön sein!- „Keinen Schmuck, keine Uhren, nichts mit nehmen!“ Aber: Eldis kommt mit großer Handtasche, ihre Freundin trägt schönen Schmuck wie alle Damen aus den besseren Kreisen, man muss schliesslich zeigen, dass man sehr gut aufgestellt ist.
So gefährlich ist Rio am Tag!
Vorsichtshalber waschen wir noch am Sonntag die Wäsche.
Bischen gammeln, ratschen, am Strand was essen, dann hat Rio Priorität!
Am Montagmorgen fahren wir mit Gilberto in die Stadt.
Das ist gut so, denn nun wissen wir gleich, wie wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ‚rein fahren können (siehe den vorigen Bericht) und vor allem auch zurück kommen. Das ist meistens schwieriger.
So schlendern wir nun durch die Stadt der „Cariocas“, wie die Einheimischen genannt werden: die Fussgängerzone entlang, gehen Mittagessen, schauen uns das Kloster von Sao Bento an mit seinen üppigen Schnitzereien. Leider ist der Hauptaltar wegen Restaurierungsarbeiten total verhangen. Auf dem „Chinesenmarkt“, dem Mercado Municipal, kaufe ich mir eine Kette aus den roten Samen des „Pau do Brasil“, dem Nationalbaum Brasiliens.
Bald wird es langsam dunkel und es fängt an zu nieseln.
Dann kommen zwei Tage Regen und Sturm. Wir haben Springflut und das Wasser geht fast auf die Strasse am Campingplatz hoch-ein unwahrscheinlicher Anblick.
Gilberto fährt weiter nach Itú, wir bleiben zu Hause, gehen ins Internet, fahren ins Einkaufszentrum Barra-Shopping. Das ist bei solchem Wetter immer gut.
Erst nach drei Tagen wird es besser, da trudelt ein blauer Mercedes-Bus aus Rosenheim ein. Mit Wolfgang+Anni Zellinger verbringen wir schöne Stunden und endlich ist das Wetter richtig toll, der Regen hat die Luft gesäubert.
Zuckerhut-Wetter!
Mit der Seilbahn schweben wir für 35Rial p.P. einem Traum entgegen. Oben angekommen wird es leider schon wieder diesig. Wir geniessen trotzallem den Blick in die Tiefe.
Beobachten die Kletterer, die hier ihren einmalig gelegenen „Klettergarten“ gefunden haben! Wir sehen die Schiffe, die kommen und gehen, die Gondel, die unaufhörlich Menschen ‚rauf und ‚runter transportiert und den Hubschrauber, der von hier aus für viel Geld seine Rundflüge über Stadt und Corcovado absolviert.
Über zwei Stunden verweilen wir.
Wer hätte gedacht, dass wir nun hier stehen. Eigentlich wollten wir auf unserer Reise nicht einmal nach Brasilien fahren! Aber jetzt sind wir total glücklich in dieser Stadt, die uns sehr gut gefällt. Sie wurde uns auch nicht gefährlich. In der Nacht liegen „ordentliche“ Bürger sowieso im sicheren Bett, und laufen weder durch Favelas noch am Strand umher!
Wir gehen weiter zum Marinehafen und erfahren, dass das restaurierte Schiff „“Laurindo Pitta“ in einer halben Stunde für 8 Rial p.P. auf Hafenrundfahrt geht. Ein und einhalb Stunden lang. Das machen wir mit! Viel Trubel ist auf dem Schiff, den drei oder vier Schulklassen verursachen. Die Lehrer zu Hause wären froh, so disziplinierte und freundliche Schüler zu haben. Bei uns wäre es der totale Stress-keiner würde still sitzen!
Schon wieder brauen sich Gewitter rundherum zusammen, es wird richtig dunkel. Nachmittags um 16°°geht die Strassenbeleuchtung an. Wir schaffen es gerade noch zur Bushaltestelle, die aber zur Hälfte schon von einer obdachlosen Frau bewohnt ist, und werden nur etwas feucht.
Dann geht es los: Blitze schlagen mit lautem Knall in die Hochhäuser ein, es kracht und donnert, die Beleuchtungen gehen aus, manche Häuser sind schlagartig gespenstig dunkel.
Die Handys, fangen an zu glühen: die Leute rufen Taxen oder Verwandschaft mit Auto an. Natürlich fahren alle sofort zur Rettung von Mutter, Tante, Tochter, Sohn mit ihrem Auto in die Stadt! Andere wollen noch schnell nach Hause, ‚raus aus dem Zentrum.
Der Verkehr ist jetzt gigantisch! Autos werden an Kreuzungen auf der Stelle per Hand gedreht, weil nichts mehr geht- weder vor noch zurück. Unser Bus hält an keiner Haltestelle mehr, er ist voll. Richtig voll! Wir haben einen Sitzplatz! Die Passagiere schlafen, die Frau Schaffnerin schläft, der Fahrer kümmert sich um absolut keinen kleinen, gerade verursachten Blechschaden. Wer stünde bei diesem Wetter auch aus dem Auto aus?
Nach geschlagenen vier Stunden Fahrt sind wir wieder zu Hause am Camping-es ist 22Uhr. Anni+Wolfgang hatten uns noch, ihnen sei Dank, die Wäsche von der Leine abgenommen.
Wir brauchen jetzt ein paar „Ruhetage“.
Die Gewitter und der Sturm haben den Himmel sauber gefegt, es herrscht wieder super Wetter.
Corcovado-Wetter!
Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wir nach Rio bis Campo Velho, dann für 35 Rial p.P. inklusive Eintritt erst mit der Zahnradbahn weiter und dann geht es die letzten Meter mit dem Fahrstuhl hoch.
Schon stehen wir unter dem Christo Redentor auf dem Corcovado!
Unfassbar diese Aussicht bei allerfeinster Rundumsicht!
Noch viel besser wie vom Zuckerhut. Den kann man getrost auslassen.
Der Blick vom Corcovado ist ein Traum, ein Muss!
Der Blick schweift über Rio de Janeiro, über die gesamte Baia de Guanabara, das Hafenbecken bis Niteroi, die Costa do Sol hoch, über die vielen vorgelagerten Inseln, über das Küstengebirge. Unter uns liegen die Strände von Botafogo, Copacabana, Ipanema und Leblon und die blau schimmernde Lagoa de Freitas. Natürlich auch schöne und weniger schöne Stadtviertel.
In der Ferne sehen wir im Gegenlicht das Maracaná-Stadion.
Die Menschenmassen hier oben halten sich in Grenzen. Es ist keine Saison und noch dazu Montag.
Über zwei Stunden stehen wir und schauen-es ist zu schön, man will gar nicht mehr weg.
Vielleicht auch deshalb, weil man einen Traum verliert, der Wirklichkeit geworden ist.
Den Blick über Rio werden wir nie vergessen!
Nach dem Mittagessen machen wir uns dann per Metro auf den Weg an die Strände!
Was ist Rio, ohne am Strand von Copacabana und Ipanema gewesen zu sein! Da müssen wir auch noch hin, Uwe muss das „Girl von Ipanema“ sehen.
Es ist nicht viel los. Die Girls von heute waren damals, als sie noch besungen wurden, jung. Es lohnt sich nicht, bei einem teuren Caipi zu sitzen und zuzuschauen, wie sie joggen und gegen sich selbst kämpfen. Die armen Männer quälen sich ebenfalls am Strand mit Gymnastik, Laufen, und Geräteturnen. Aber es schaut hoffnungslos mit dem Körperstyling aus. Sie passen zu den jetzigen ehemaligen Girls.
Wahrscheinlich sind wir zur falschen Tages- und Jahreszeit hier.
Nun geht es endlich an die Heimfahrt, die auch ohne Unwetter wegen einsetzendem Berufsverkehr ziemlich lange dauert.
D.h. aber auch, dass wir, wenn wir alles schaffen wollen, morgen früher ‚raus müssen! Kurz nach 5°° klingelt der Wecker und um acht sind wir schon in Rio. Die Plätze und Bushaltestellen werden noch von obdachlosen Familien „beschlafen“.
Wir sind schon wieder unterwegs zum alten Aquädukt von Carioca, mit den Arcos da Lapa. Aber es gibt keine Strassenbahn mehr, Bonde genannt, die nach Santa Teresa fährt. Schade. Der Bahnhof ist total verrammelt. Vielleicht fährt sie nur noch für Touristen in der Saison? Wir wissen es nicht, kümmern uns auch nicht weiter drum.
Dann schauen wir uns die gleich daneben liegende Kathedrale an: Ein Kegelstumpf, total modern aus Beton und Glas gebaut, riesig groß: 20.000 Gläubige oder auch Ungläubige finden Platz und- man kann kommen, wann man will, den ganzen Tag wird der Fußboden blitzeblank geputzt.
Die Kirche der Presbiterianer nahe der Praca Tiradentis ist in einem kleinen Park mit Palmen gelegen. Als Kontrast stehen nun dicht dahinter die modernen Hochhäuser. Vor dem Eingang wurden schöne und sehr fotogene Bronzefiguren aufgestellt. Der (Bronze)Prediger lädt zum Foto mit der ganzen (Bronze)Gemeinde ein.
Kurz danach kommen wir über die Praca Tiradentis zur alten Portugiesischen Bibliothek, dem Real Gabinete Portuguez de Leitura. Man muss ruhig sein, darf nicht mit Blitzlicht fotografieren, dann kann man kostenlos hinein und staunen. Es ist immer noch eine öffentliche Bibliothek mit ca. 350.000 Bänden und vielen Handschriften. Man kann nichts ausleihen, sondern muss alles in dem alten Lesesaal studieren. Sicher würden sonst auch einige Bücher „verloren“ gehen. Drei offene Stockwerke umfasst das prächtig geschnitzte und verzierte „Bücherregal“. Die gewünschten Bücher werden gebracht, selber suchen geht nicht.
Durch die alten Gassen der Fussgängerzone von Carioca gehen wir weiter. Vielleicht sind die angeblich sehenswerten Kirchen Sao Francisco de Paula und Sao Francisco de Penitenaia endlich geöffnet?
Nein, sind wieder oder noch geschlossen.
Über die Av. 7 de Setembro kommen wir zum Marinemuseum, das ab 12°° erst geöffnet ist. Wie sich herausstellt, ist es zwar ganz nett aber nicht so, dass man es unbedingt gesehen haben muss.
Das alte Parlamentsgebäude an der Av. 1 de Marco schauen wir uns auch noch an. Leider sind alle Erklärungen und Erläuterungen nur in portugiesischer Sprache verfasst.
Durch den Arco do Teles an der Praca 15.November hindurch kommen wir in die „Fressmeile“, die Mittags von Angestellten und Beamten gut besucht wird. Es gibt hier überall sehr schmackhaftes und preiswertes Essen „al buffet“ oder „al Kilo“, 100g für 1,95 Rial inklusive Postres (Nachtisch), Café und einem „Verdauer“!
Den Tip bekamen wir übrigens von Angestellten im alten Parlamentsgebäude, Beamte sind halt sparsame Leutchen.
Nach dem Mittagessen wird man in Brasilien immer müde.
Also beschliessen wir, am alten Hafen noch vorbei zu schauen und uns dann nach Carioca zum Bus zu begeben, der uns nach Hause bringt. Schön langsam tun ja auch die Füsse weh.
Wir müssten mindestens noch zwei-drei Wochen bleiben, es würde nie langweilig werden!
Aber irgendwann ist Schluss. Noch einmal fahren wir nicht nach Rio ‚rein.
Wir haben nicht mehr so viel Zeit, denn in Blumenau haben wir einen wichtigen Termin:
das Oktoberfest!
Es gibt noch viel zu tun, bis wir dann übermorgen „Rio adé!“ sagen.
Wir wollen die nächsten Tage die Costa Verde entlang fahren bis Navegantes und weiter nach Blumenau in die Heimat von unserem Freund Gerd.