Südamerika

23.10. bis 30.10.2007

Die Landschaft, durch die wir im Großen und Ganzen auf der BR 470 fahren, schaut aus wie in Mitteleuropa.
Selten sieht man hier eine Araukarie oder eine Palme, die Felder und Weiden zwischen Waldstücken sind für hiesige Verhältnisse eher klein. Ab und zu sieht man einen Bauern beim Pflügen oder Säen. Wir haben Frühjahr, die ersten Blumen und Sträucher fangen an zu blühen, der Mais steht nur 30 cm hoch, so ist der weite Blick in die Landschaft noch frei.
Durch das Tor am Ortseingang tauchen wir ein in ein brasilianisches Tiroler Dorf: Treze Tilias, gegründet unter dem Namen Dreizehnlinden. Auf den Häusern kräht der Wetterhahn, die Dächer haben alpenländische Dachneigungen und Türmchen, vor dem Rathaus im modernen Tiroler Bauernhausstil á la Mayerhofen steht die in Holz geschnitzte Einwandererfamilie aus Tirol oder Vorarlberg.

Auf dem Friedhof ruhen unter schmiedeeisernen oder geschnitzten Grabkreuzen die Altvorderen Thalers (der Stadtgründer), die Felders, Hechenbleichners, Unterbergers, wie sie alle heißen. Manche Namen sind aus der Zeit des zweiten Weltkriegs und danach, als alles Deutsche und Deutsch ähnliche verboten war, „verbrasilianisiert“ worden. So eben auch der Ortsname Treze Tilias.

Die Einheimischen stammen vorwiegend aus Vorarlberg, aus Tirol, viele aus der Gegend von Innsbruck, dem Zillertal und aus der Wildschönauer Gegend. Sie haben noch immer sehr viel Kontakt mit der „alten“ Heimat durch ihre Vereine und die Verwandtschaft in Österreich. Die Gattin des Stadtgründers Thaler ist erst 1970 gestorben, manche der damaligen Einwandererkinder leben heute noch. Sie sprechen dadurch auch ihre Tiroler Dialekte wie „zu Hause“, pflegen das Brauchtum und leben noch im Tiroler Stil: sie feiern das Tiroler Brauchtumsfest, im Ort ist eine große Molkerei mit Käserei. Die Holzschnitzer Thaler und Moser sind international bekannt, sagt man hier.
Die Restaurants heißen Kandlerhof, Dreizehnlinden, Edelweiß und natürlich Hotel Tirol und bei allen kann man Gulasch, Schweinsbraten, Semmelknödel, Käs’spatzen, Krautsalat, Marillenknödel und Apfelstrudel und, und, …. essen. Schon zu fast Tiroler Preisen.

Im Garten vom Restaurant Felder können wir sehr schön stehen, aber am Weiher und im Gras sitzen die Mücken und versuchen ständig zu kosten, ob wir noch gut schmecken. Wir schmecken wohl zu gut!
Durch unsere „Mittelgebirgslandschaft“, jedoch viel, viel weitläufiger, durch nette Täler, immer auf und ab, fahren wir weiter. Durch kleine Städte wie Catanduvas, Faxinal dos Guedes und Bom Jesus kommen wir nach Abelardo Luz.
Die Stadt ist erst in den fünfziger Jahren gegründet worden und immer noch im Aufbau. Die jetzigen Neuankömmlinge leben noch in „Plastikplanenhäusern“. Die ersten Siedler, die das Land gegen den Willen der Regierung (die aber vorher Land per Landreform versprochen hatte) damals besetzt und erkämpft hatten, leben schon in schönen Steinhäusern und haben Asphaltstraßen.
Solche „Stadtgründungen“ sieht man sehr viel in Brasilien.

Freies Land kann per „Haus mit Dach“, das sind meist vier Pfosten mit Plastikfolie oben ‚drüber, und Fahnenstange daneben eingenommen werden. Dann gehört es dem jeweiligen „Hausbesitzer“.
Die Familie kommt mit Sack und Pack im Auto oder Pferdekarren hinterher. In dieser Gegend kommen die meisten aus dem Nordosten Brasiliens. Bald laufen die ersten Hühner umher, es gibt eine Gemeinschaftstoilette und einen Brunnen für alle „Häuser“ dieser Art. Wenn es gut geht, wird aus dem „Plastikplanenhaus“ eine Holzhütte. Die ersten „Lombadas“ werden angelegt.
Das sind „Asphaltbuckel“ gegen schnelles Fahren, wie sie in ganz Südamerika normal, aber in Deutschland verboten sind. Sie sind an jedem Ortseingang, Ortsausgang, bei Schulen, Überlandtankstellen, Kreuzungen, Bushaltestellen, Restaurants, Bars, eigentlich überall, wo man anhalten könnte oder sollte oder wo möglicherweise ‚mal jemand aus einer Seitenstraße oder Piste angefahren kommt.
Ein Kiosco oder diverse Verkaufsstände werden praktischerweise neben den Lombadas aufgestellt. Hier, wo der vorbeikommende Autofahrer essen oder Obst usw. kaufen kann oder Reifen wechseln oder, oder…
Manchmal gibt es ‚zig dieser Nervtöter über mehrere Kilometer auf der ganzen langen Ortsdurchfahrt. Einmal haben wir ca. 30 Stück gezählt. Sie nerven! Und die Buckel sind oft sehr hoch, denn: Man nimmt einen Baumstamm, legt ihn quer über die Straße und verkleidet ihn fest mit Asphalt. Autofahrerfreundlich streicht man ihn knallgelb an. Hier bremst jeder!
Sicherlich haben sie auch schon vielen Menschen und Hunden das Leben gerettet.
Mancher Kfz.-Achse wohl eher weniger, man muss höllisch aufpassen!

Bei genügend Raum entstehen auf diese Art ganze Ortschaften auf freiem Feld mit Kirche, Schule, Läden, Handwerksbetrieben,Taxis und allem was dazu gehört. Der Strom wird zunächst, oder auch länger, an den Überlandleitungen „angezapft“. Wenn die Hazienda-oder Estancia-Besitzer nicht aufpassen, stehen diese, in Rio würde man „Favelas“ dazu sagen, Hütten direkt an ihrem Zaun.
Das mögen sie natürlich oft nicht und so sieht man, wie Buldozer einen Teil mal wieder nieder gewalzt oder gar niedergebrannt haben. Im Vorbeifahren darf man nicht an diese Tragödien denken.
Wenn ältere Gemeinden schon existieren, werden die Leute in feste Häuschen umgesiedelt. Vor der Tür grast das Pferd, Hühner laufen rum, manche haben eine Kuh und bischen Mais. Manch einem gefällt das sicherlich nicht, denn es sind damit auch Kosten und Zwänge verbunden. In den Bundesländern Paraná und Mato Grosso do Sul haben wir besonders viele dieser Migranten, die auf Landsuche sind, gesehen.-
In einem Touristenprospekt, den wir in Blumenau bekommen hatten, haben wir von den Wasserfällen bei Abelardo Luz gesehen. Dort wollen wir dann bleiben und übernachten. Der Rio Chapéco sucht sich hier über mehrere (Basalt?) Stufen hinweg seinen Weg. Beim Hotel Quedas ist die Zufahrt und bald hört und sieht man die „Quedas dos Rio Chapéco“-sozusagen „Kleiniguazu“. Wenigstens bei dem vielen Wasser, das wir haben.
Aber es ist nichts los. Es gibt sogar einen kleinen „Vergnügungspark mit Balneario“. Die Dame vom Eintrittshäuschen sitzt mit einer anderen Dame dort. Sie trinken Kaffee, reden und stricken. Sie lassen sich nicht stören, bekommen ihren A.. nicht hoch, dulden uns mit unserer „Ruhestörung“ nicht in ihrer Nähe, lassen uns auch nicht durch die andere verschlossene Türe an die Fälle heran. Die Cabanas, irgendwer haust aber in einer, und das Hotel sind ebenfalls geschlossen.
Übernachten dürfen wir auch nicht auf dem Parkplatz. Und es gibt keinen anderen schönen Platz, von wo man die Fälle so anschauen könnte, vielleicht sogar mit Sonnenauf-und Untergang!
Uns „stinkt“ es hier so richtig. Wir fahren weiter.

Dann lieber ein Posto mit freundlichen LkW-Fahrern bei Mangueirinha.
Am frühen Morgen fahren wir weiter. Es wird schliesslich immer wärmer! Durch liebliche Mittelgebirgslandschaft kommen wir vor Foz do Jordao an den Stausee „Represa de Salto Santiago“, gebildet vom Rio Iguacu. Der kleinere Teil des Stausees bei Segredo ist voll aber aus dem Kraftwerk kommt nur ein Rinnsal heraus. Wie viele schöne Wasserfälle und nette Ortschaften haben hier ‚dran glauben müssen? Und hat sich die Umweltzerstörung überhaupt finanziell gelohnt, wie erhofft? So gut uns Brasilien gefällt, ebenso könnten wir uns täglich über die unermässlichen Umweltzerstörungen ärgern.
Viele Brasilianer hören auf, sich aufzuregen, denn sie wissen nur zu gut, wer die Großgrundbesitzer und Firmeninhaber sind.
Und wir hoffen ganz bescheiden, dass der Rio Iguacu noch genug Wasser führt, wenn wir zu seinen Cataratas kommen.
Bis Guarapuava, dann die BR 466 hoch nach Pitanga, die BR 487 dann weiter bis zu einem Posto bei Campo Mourao. Unterwegs gibt es hier nichts weiter zu sehen. Die Strasse lässt sich gut fahren. Verkehr ist wenig. Diese Strecke ist, wie wir sagen, eine „Überführungstour“ nach Bonito und weiter nach Paraguay.
Unsere nächste Stadt, die es sich vielleicht lohnt, in dieser Hitze anzuhalten, ist Maringa. Die Stadt ist noch ganz jung, erst 1947 gegründet. Im Zentrum stehen nagelneue Hochhäuser und in dem Gürtel drumherum kleinere neue Wohnhäuser, Einfamilienhäuser usw.

Noch schaut alles ziemlich sauber aus-Kunststück!
Hier soll nun das lt. Führer zehntgrößte Kirchen-Bauwerk der Welt stehen.
Unser „Märchenbuch“ hat schon viel geschrieben-und nach dem Motto „hinfahren und nachschauen“ verfahren wir auch diesmal.
Die Kathedrale, einreiner Betonbau, ist wirklich sehr hoch und toll ist, dass man in den Turm 84m bis fast unter das Kreuz hochsteigen kann. Der Ausblick auf Stadt und Umland bietet nicht so viel, weil alles „brettl-eben“ ist; gefällt uns aber trotz allem recht gut. Innen ist sie,sagt der Führer, aussergewöhnlich. Ja! In der Kirchturmspitze sind Urnengräber und ein kleines sog. Museum. Der Innenraum ist eigentlich recht hübsch, wenn nur die Verarbeitung nicht so „rustikal“ wäre. Aber vielleicht ist das ja auch DER Kunstkniff. Die Kathedrale wurde ausschliesslich aus Beton gegossen. Dazu braucht man Schalungsbrett an Schalungsbrett. Jedes Schalungsbrett hat sich dann im Beton abgedrückt. Mal wurde schlampig gegossen, dann wurden später Luftlöcher einfach verschmiert. Oder sie lagen nicht gut übereinander oder nebeneinander, dann entstehen später Risse oder Wülste. Je nachdem. Innen ist der Kirchenraum weder gestrichen noch verkleidet. An vielen Stellen fängt der Beton an zu bröseln. Die „Gemälde“ auf dem Beton sind auch nett aber ebenfalls sehr „rustikal“
Durch endlose Zuckerrohr-Plantagen rechts und links der Strasse geht es weiter. Es ist Erntezeit.
LkW’s mit drei bis vier Anhängern voller Zuckerrohr kommen uns entgegen gekrochen.
Übernachten werden wir natürlich auf Tankstellen, oft bei den großen Silo-Stationen.
Manchmal ist es recht sandig umd staubig!
Bei Porto Camargo fahren wir auf der großen Brücke über den Rio Parana, der hier mit seinen vielen Inseln doch sehr breit ist! Ein toller Anblick! Rundherum ist Weideland und zur Abwechslung werden große Rinderherden von malerischen Gauchos die Strasse entlang getrieben.

Unser nächstes Ziel ist Bonito. Hier scheiden sich die Geister, wohl auch in Abhängigkeit von der Jahreszeit, in der man hier reist. Für manche war es „das Absolute“ an Tier- und Erlebniswelt, für andere war es „Nichts“. Nun wir werden sehen:
Es ist Ende Oktober, wahnsinnig heiß mit 40°C im Schatten, es gibt für alle lieben Vögel reichlich Mücken zu verspeisen. Ab 10°° sollte man tunlichst die Sonne vermeiden, sich ruhig verhalten, viel trinken und warten, dass es endlich 18°° wird. Erstens wird dann langsam das Balneario neben dem Camping Municipal geschlossen und es wird ruhiger, die Temperaturen fallen unter Körpertemperatur und die Mücken konzentrieren sich auf die Lampen und nicht mehr nur auf die Menschen. Am frühen Morgen und bei Sonnenuntergang suchen wir die prächtigen Fische, die im Bach vom Campingplatz schwimmen sollen- leider schauen sie nur genauso prächtig aus wie die Renken im Ammersee. Und natürlich machen wir bei diesen Temperaturen auch keinen teuren

Schnorchelausflug im Neoprenanzug mit! Und billiger und ohne Anzug gibt’s nicht. Also bleibt nur noch der „Buraco das Araras“, eine ca.100m tiefe Doline, stark bewachsen und mit einem Durchmesser von ca. 200m. Sie heisst so, weil hier viele Aras leben und brüten. Ein paar fliegen über den Grund, verstecken sich vor der Sonne im Gebüsch. Wir laufen an ihrem oberen Rand einmal rundherum-fast nur in der prallen Sonne und es geht in der Sonne auf ca. 60°C zu,
inzwischen ist es bald 12°°! Schöne rote Aras schimpfen über uns, Tucane sitzen versteckt in den Sträuchern. Wir beenden unsere Tour um die Doline, brauchen unbedingt Schatten und die Klimaanlage eines kleinen Restaurants im Ort. Das war „unser“ Bonito.

Bald fahren wir weiter durch den Mato Grosso do Sul mit viel Viehwirtschaft und gehen bei
Ponta Pora über die Grenze von Brasilien nach Paraguay.