Russland/Mongolei

Teil 4: Vom nördlichen Rand der Gobi in die zentrale Mongolei bis Uliastai

vom 01.07. bis 20.07.2013

Drei Tage bleiben wir in Arveikheer, dann geht es auf der Asphaltstrasse weiter. Herrlich!
Aber nicht lange, dann biegen wir links ab. Wir wollen über Shank nach Kharkhorin fahren.
Kharkhorin heisst heute die kleine Stadt nahe dem alten, inzwischen verschwundenen Karakorum, der Hauptstadt des von Dschingis Khan gegründeten alten Mongolenreichs. Es war eine Stadt zentraler Bedeutung in ganz Asien bis sie von den Chinesen besiegt und zerstört, letztendlich zum Steinbruch für das Kloster Erdene Dsuu degradiert wurde. Das wiederum wurde nach der Machtübernahme durch Tschoibalsan, dem „Stalin hörigen“ Diktator 1937 während der „Säuberungsaktionen“ unter den Religionsgemeinschaften und der geistigen Elite ebenfalls dem Erdboden gleich gemacht.
Im Zuge der russischen Perestroika wurden dann auch in der Mongolei demokratische und freigeistige Positionen ohne Gefahr für Leib und Leben möglich. Das wirkte sich auf Wirtschaft, Religion und Politik positiv aus.
In Folge dessen werden die Klöster renoviert oder auch neu aufgebaut und mit Leben erfüllt. Auch in der Mongolei gibt es schon wieder bedeutende Universitäten unter ihnen, andere übernehmen die Bildung in den Dörfern, wo keine öffentlichen Schulen sind. Diese Entwicklung ist sehr mühsam aber dennoch derzeit nicht aufzuhalten.
Das ist dem Tourismus natürlich sehr dienlich, und die Touristen bekommen einen ganz kleinen Einblick und eine Ahnung vom tibetischen Lamaismus. Das ist besonders schätzenswert wenn man weiss, dass gerade wieder Tibet für einzeln reisende Touristen, zeitweise auch für Gruppen, gesperrt ist.

Nun wollen wir aber endlich los und in die ehemalige Zentrale einer ehemaligen Weltmacht fahren!
Die Piste nach Shank ist sehr gut, die gebirgige Region, sogar mit Bäumen, wunderschön: Viele Gers säumen unseren Weg, Pferdeherden traben neben uns oder queren die Piste, Schafe erheben sich widerwillig wenn wir kommen. Die meist etwas sandige Piste wird wenig befahren, ist hügelig, führt über kleine Pässe, es ist richtig gemütlich hier. Nach 110km Trödelei treffen wir nachmittags in Shank ein.
Vor dem Kloster bleiben wir zum Übernachten stehen. Der Blick über das ganze Tal ist prächtig. Die Dorfbewohner ziehen an uns mit Schubkarre oder Wägelchen vorbei zu einer Quelle zum Wasser holen, die Kinder kommen neugierig heran und bekommen ‚was zu Naschen, die Männer treiben ihre Schafherden und Kühe von den Hügel ringsumher an uns vorbei in das Dorf. Die Mönche schauen auch noch schnell nach uns. Und die Hunde beruhigen sich auch und lassen uns gewähren.
Bald stehen wir ganz allein, jeder verzieht sich in sein Heim, denn es zieht ein richtiger Sturm hoch, das Auto wackelt gut wie ein Schiff. Die Wolken sind tief schwarz-das war’s aber auch. Nachts wird es wieder ruhig und sternenklar-der Blick hoch zu den Sternen ist traumhaft schön! Unten im Tal sieht man in der Ferne ein paar Gers im Nachtlicht schimmern.
Das ist die Mongolei!
Ab Shank, nein vorher schon ab Khujirt, ist die Strasse nach Kharkorin asphaltiert.
Nur die letzten 30 km sind wieder ein Kapitel für sich: Baustelle, sehr viel Verkehr, von LkW’s zerfurchte Pisten-nicht lustig. Aber wir dürfen nicht klagen, denn ein paar Tage später sind Teile der Piste weggeschwemmt worden. Also hatten wir doch Glück, dass es nicht schon vor unserer Ankunft passiert ist. Man sieht mal wieder, alles ist relativ. Natürlich fahren wir auf den Hügel über der Stadt, um eine der letzten heiligen Schildkröten und den heiligen Penis aus Stein zu begutachten und um die Aussicht zu geniessen. Für die „Großen“ ist dieser Weg nicht geeignet. Wenige Leute laufen hoch. Oben angelangt haben wir eine herrliche Fernsicht, zu unseren Füssen liegen die Reste der Klosteranlage Erdene Dsuu. Das ist natürlich unser nächstes Ziel-das zergeht ja regelrecht auf der Zunge: Erdene Dzuu!

Von oben sehen wir schon die restaurierte, imposante Klostermauer mit ca. 100 integrierten Stupas, die ein Gelände von ca. 400×400 m im Quadrat umschliesst. Wir wollen die teils erneuerten Reste der vier von kapp 70 ehemaligen Tempeln besichtigen und das Kloster selbst natürlich auch.
Allein diese Reste lassen uns ob ihrer Schönheit und Größe erstaunen. Im eigentlichen Klostergebäude leben und beten die Mönche des Gelbmützenordens. Es sind nur wenige, aber immerhin! Der Orden lebt konsequent nach den Lehren des großen tibetischen Gelehrten Tsonghkapa, ihr Oberhaupt ist der Dalai Lama. Eine Weile hören wir ihren Gebeten zu, lauschen dem Klang ihrer religiösen Musik und beobachten ihre Rituale. Wir haben ja Zeit und es stört niemanden. Am Eingang zu dem Komplex in dem die Mönche leben ist ein Raum, in dem viele Bilder des alten intakten Klosters aus der Zeit vor der Vernichtung im Jahr 1937  zu bestaunen sind. Unglaublich, ja unvorstellbar, was hier für ein regelrechter Trubel von über Tausend Mönchen herrschte! Das ist unwiederbringlich vorbei. Schade für uns, es wäre unheimlich interessant, das erleben zu dürfen.
Unser Übernachtungsplatz liegt genau an der Klostermauer. Abends werden die Tiere an uns vorbei getrieben. Hier treffen wir Marion und Peter an, später dann werden sie abgelöst von Heike und Herrmann mit ihren großen MAN’s.
Nachdem das Wasser abgeflossen war, stellten wir uns auf eine kleine Erhebung und konnten erst Mal ganz in Ruhe beobachten, wie der gegenüberliegende Berghang weggerutscht war, wie die Erde über die Strasse und an dem kleinen Museum von Kharkhorin gerade noch vorbei ist und die Piste, die wir kamen, auch ziemlich „deformiert“ wurde. Alle Kfz. auf dem Weg in die Stadt kurven wild umher.
Nachdem wir etliche Zeit der Kultur gedient hatten, gingen wir nun zum praktischen Teil des Lebens über: Wäsche und uns waschen im Orchon-Fluss, einkaufen auf dem Markt, Sim-Karte neben der Hauptpost verlängern. Rundherum ziehen täglich schwere Gewitter auf. Ständig wird der ganze Dreck und Sand im ganzen Tal aufgewirbelt. Jedenfalls fahren wir bei dem Wetter nicht in das Orchon-Tal hinein zu den Gebirgsklöstern z.B. von Töwchön Chiid, nicht zu den heissen Quellen und den heiligen Höhlen. Das Risiko, bei Erdrutschen nicht mehr zurück zu kommen, ist uns zu groß.
Aber das ist nicht so schlimm, wir haben inzwischen schon den 6.Juli. Am 8./9.Juli findet das große Naadam Fest der ganzen Provinz statt. Das ist natürlich viel umfangreicher und von großer Bedeutung im Vergleich zu dem kleinen Naadam in Bulgan (s.Bericht Nr.3).
Wir sind natürlich dabei:

Schön langsam werden ausserhalb der Stadt viele Jurten aufgebaut, Pferde über Pferde werden per Klein-LkW heran gefahren. Wir beobachten das Ganze und ziehen ebenfalls hinaus, um einen guten Übernachtungsplatz am Rand der neu erstandenen Ger-Siedlung zu bekommen. Die Gers werden später alle kleine Restaurants sein-hier verhungert niemand. Es herrscht hier viel geschäftiges Treiben: die Autos fahren ständig hin und her, in den Jurten wird gekocht und gebacken, die Pferde werden zum Fluss geführt, die Hunde aus der ganzen Stadt sammeln sich. Irgendwas Fressbares fällt immer mal ‚runter oder ‚raus, die Kinder toben zwischendrin ‚rum. Nun werden auch die Plumsklos installiert: ein Loch in die Erde buddeln, das Loch mit zwei Brettern zum sich ‚Draufhocken sichern, Bretter als halbwegs Sichtschutz an drei Seiten bis Oberarmhöhe hoch nageln-fertig. Noch sind keine weiteren Touristen da. Noch wird gewerkelt: Zelte für die Siegerehrung und die Ehrentribüne, ein paar Pavillons als Regenschutz, Start und Ziel für die Pferderennen, Fahnenmasten aufstellen.
Am 08.Juli kommt die Presse und ein großer LkW vom Fernsehen und es kann losgehen:

Reden halten, Mönchsgebete, Vorführungen der Schulen und Vereine, traditionelle Musik, Tänze und Gesang.
Auf ein Mal laufen alle Zuschauer weg! Wir hinterher-nein, nicht wegen Regen oder so, sondern die ersten Pferde werden gleich kommen! Das erste Rennen war gestartet und nun sind die ersten Pferde gleich hier im Ziel!
Das ist das Leben der Mongolen-Pferde, Pferde, Pferde!
Kinder, zwischen 6 und 12 Jahre reiten die Pferde. Die Strecke ist ca.16km lang, je nach Alter der Pferde. Die Pferde werden die ganze Strecke im langsamen Galopp unter lauthalsem Absingen von speziellen Liedern eben diese gut 16 km an den Start geritten. Dann kommen sie vom Startplatz aus, irgendwo draussen in der Ebene, am Festplatz ins Ziel. Getrieben mit Peitschenknallen und lautem Geschrei. Die kleinen Reiter sind erstmal unwichtig, wichtig sind die Pferde! Na, manche Mama scheint schon froh zu sein, dass der kleine Sprössling alles heil überstanden hat. Hat er oder sie, auch Mädchen sind dabei, doch extra auf Helm, Schuhe, Sattel verzichtet um das Gewicht zu minimieren. Einige tragen aber Brust-bzw. Rückenschutz.
Die besten fünf Pferde dürfen mit Reiter, dann mit Stolz geschwellter Brust, zur Siegerehrung. Hier wird ihnen ein Loblied gesungen. Es gibt Stutenmilch für die Reiter und etwas auch für das Pferd über den Kopf, wie eine kleine Taufe.
So gibt es fünf Rennen, das letzte Rennen der fünfjährigen Pferde ist das wichtigste, mit der größten Spannung erwartete und auch das hektischste, gefährlichste und längste mit knapp 32km. Die Kinder sind schon bis 12 Jahre alt, die kämpfen, schubsen, das Tempo ist sehr hoch, da knallen die Peitschen und die Anfeuerungsrufe die Pferde ins Ziel. Im Ziel gibt es kein Halten, die kleinen Reiter werden quasi „eingefangen“ von den Mitgliedern der Jury, bekommen ein Holz mit Nr. 1-5 übergeben, und sind erstmal fix und fertig. Die anderen späteren Reiter werden von Familienmitgliedern gestoppt. Das schaffen auch die älteren Kinder allein dann nicht-Pferd und Reiter sind meist total „überdreht“. Manches Pferd kommt ohne Reiter an. Aber schwere Unfälle hat es augenscheinlich nicht gegeben. Die das Rennen begleitenden Autos sammeln die Kinder auf.
Später kommt die Siegerehrung, den Reitern wird dann wieder von einem Obmann ein Loblied gesungen, die Pferde mit Stutenmilch „gesegnet“, es gibt Urkunden und Preise für den jeweiligen Pferdebesitzer.
Zwischendurch finden die ruhigeren Wettkämpfe der Ringer statt, solange und so viele, bis am letzten Tag nur noch vier Ringer, dann die besten zwei, aufeinander treffen. Jedem Ringer ist während des Kampfes ein Sekundant zugeordnet, der auf die Fairness und Einhaltung der Regeln achtet. Die Kämpfe sind sehr von gegenseitiger Achtung geprägt, das Publikum äusserst diszipliniert. Man hört kaum einen Muckser, manchmal ein leises Stöhnen der Zuschauer. Bis sich die Anspannung löst und einer der beiden Ringer mit einem anderen Körperteil als den Füssen, die Erde berührt. Der Verlierer läuft dann unter den Achseln und den weit auseinander gebreiteten Armen des Siegers hindurch als Zeichen der Unterwerfung. Der jeweilige Sieger tanzt abschliessend den so genannten Adlertanz um die Fahnenmasten von Distrikt-und Nationalfahne. Er ist sich seiner Würde bewusst. Vielleicht konnte er sogar einen höheren Rang unter den Ringern der Mongolei erreichen. Das geht nur während der Naadam-Feste, deswegen ist ihre Bedeutung für sie auch besonders groß. Große ehemalige Ringer oder andere hochgestellte Persönlichkeiten nehmen dann die Siegerehrung am zweiten Tag vor.
Die Familien sind überaus stolz auf ihren Mann, Sohn oder Enkel, die Tradition lebt in diesen Familien weiter. Übrigens erkennt man die Ringer gut, da sie als Zeichen ihrer „Zunft“ eine Art verzierte „Pickelhaube“ tragen. Nur ihnen gebührt diese Kopfbedeckung.
Die Wettkämpfe der wenigen Bogenschützen haben wir in dem ganzen Trubel verpasst. Dafür haben wir bei kleinen Wettkämpfen mit Schafs-oder Ziegenknöchelchen zugeschaut. Das ist der Sport der ehrwürdigen älteren Herrn, wird im Sitzen ausgetragen mit einer Art Armbrust für die Hände.
Die Kinder konnten, wie wir es auch kennen, Pfeile auf Luftballons werfen, mit Bällen Büchsentürme umwerfen, mit kleinen Elektroautos durch die Gegend kurven und natürlich gab es überall zu Essen, zu Trinken und zu Naschen zu kaufen. Ein Volksfest eben.

Am nächsten Tag wachen wir auf und wie von Geisterhand sind schon zwei Drittel der Gers abgebaut, die Pferde sind gestern schon zurück auf die Weiden gebracht worden, Ruhe kehrt ein und bald sieht man nicht mehr, dass hier ein großes Fest statt fand.
Alles ist aufgeräumt und piko bello sauber!

Es fängt an zu Regnen. Nach acht Tagen in Kharkhorin ziehen auch wir weiter.
Auf Asphaltstrasse! Wir vermissen das „Mongoleifeeling“ der Pisten in keiner Weise.
Wie immer geht es weiter bergauf, bergab, herrliche Fernblicke, ab und an mal ein Schlagloch. In der Ferne sieht man Tierherden und kleine weisse Punkte, die Gers. Sie stehen da wie Champignons. Neben den Gers wie immer die 4×4-Wagen oder die bekannten russischen UAS-Klein-LkW, Motorräder, Solarpaneele und Satelliten-Schüsseln. Natürlich stehen sie nicht hier bei der Strasse, das wäre gefährlich für die Tiere, und die Strasse geht auch nicht an Bachläufen entlang wo die Gers stehen, das wäre gefährlich für die Strasse.
Wir stellen aber auch fest, dass man auf der Strasse nun nicht mehr „mittendrin“ ist.
Dennoch, dem Auto tut’s gut und unseren Knochen und Muskeln auch!

Nach knapp 2 Stunden oder 120km sind wir schon in Tsetserleg, dem nächsten Aimag Zentrum. Wir haben gebummelt, Mittag gemacht. Sonst brauchen wir einen ganzen Tag für so eine Strecke!

Auf einem Parkplatz nahe am Kloster finden wir unser Übernachtungsplätzchen. Es kommt kein Regen oder Gewitterguss mehr, wir haben herrlichstes Wetter. Am Kloster können wir umherstreifen, in das kleine Museum gehen, die Tempel in der Umgebung anschauen und die Leute bewundern, die voller Elan versuchen, aus den Ruinen, die sehr viel Schönheit erahnen lassen, wieder neue Tempel erstehen zu lassen. Das Museum selbst ist sehr nett gemacht. Wir gehen hoch zum Tempel Galdan Dsuu über Tsetserleg. Hier blühen vereinzelte Edelweiss! Eine kleinere Art wie die in den Alpen aber genau so schön.
Von hier oben hat man einen großartigen Blick über die Stadt und das ganze Tal. Es wird im ganzen Ort mit viel Eifer gebaut, Plätze und Bürgersteige angelegt, Tempel renoviert, der Markt soll auch schöner werden. Man kann hier gut einkaufen, es gibt alles, was das Herz begehrt, sogar guten und preiswerten Wein. Uns gefällt die Stadt mit ihren vielen Bäumen, die Atmosphäre ist sehr angenehm und freundlich.

Dennoch ziehen wir bald weiter zum heiligen Felsen Thaikir Chulum, der inzwischen so beschmiert, von Andenkenverkäufern und mongolischen Touristen verunstaltet ist, dass er kein schönes Ziel mehr in der Mongolei ist. Wir stehen etwas abseits, da sind dann weder Pferde zu mieten noch Andenken zu kaufen oder Limos zu schlürfen. Da will keiner von den Mongolen hin. Abends sieht man überall, auch am kleinen Fluß, noch die Lichter leuchten von den aufgestellten Zelten und den nahen Ferienhaus bzw. Jurten-Siedlungen.
Die Strassen sind voll, wie Irrlichter sieht man abends die Scheinwerfer durch die Nacht leuchten. Die Mongolen haben um die Zeit der Naadam-Feste herum Urlaub, die Kinder sowieso noch Ferien.
Nun sind wir gespannt, wie viele Kilometer wir noch auf Asphalt fahren werden. Laut unserem mongolischen Strassenatlas ist hier Schluss. Wir werden sehen, fahren wir weiter gen Osten. So oder so.
Immer noch auf Asphalt kommen wir auf unserem Weg fast bis an die heiligen Lärche.
Die Lärche bringt nicht gerade viel, ein Blitz hat augenscheinlich eingeschlagen und es ist nicht mehr viel übrig. Aber hier ist auch die Basaltschlucht, durch die sich der Fluß Chuluut (Chuluut gol) zwängt, besonders tief und gut einsehbar. Schöne Plätzchen zum Mittag machen bieten sich an.

Wir fahren bald weiter, jetzt gibt es nur noch Pisten unter uns, die Strassen in den Aimagzentren ausgenommen. Es werden noch ca. 2000km sein bis zum nächsten Asphalt in Russland.
Bei Tariat fahren wir über die Brücke des kleinen Zuflusses zum „Weissen See“ und kommen in den NP Khorgo Tsagaan Nuur. Hier hat der gute Herrmann viele Nerven verloren, hat schon sein Auto als Wrack aufgegeben. Aber die Brücke war ok, sogar gepflegt. Die im Pantanal, Brasilien sind viel, viel schlimmer!
Das Wetter ist scheusslich, es giesst, leider sehen wir nicht viel. Wenigstens ist die Piste einigermassen steinig. So schaffen wir es, bis kurz unterhalb des Kraterrandes des Khorgo-Vulkans zu fahren. Wir haben Glück und finden noch eine wunderbar ebene, zementierte Fläche für die Nacht. Der Rest ist zugeparkt. Ein Mongole ist überall.
Am nächsten Morgen, das Wetter ist uns wieder gnädig, wandern wir in 20 Min. hoch zum Kraterrand. Man kommt anfangs an einem kleinen Krater vorbei, dann kommt man zum eigentlichen Hauptkrater. Er ist sehr schön ebenmäßig, ordentlich tief und für alle, die noch nie in einen Vulkankrater geschaut haben jedenfalls ein „Muss“.
Wir bleiben noch eine Nacht, morgen wollen wir über den kleinen Pass an die Ufer des Tsagan Nuur fahren und auch „urlauben“. Am Kraterrand und auf der Piste weiter zum See ist aber die Hölle los, am Ufer stehen neben den Touristen-Gersiedlungen zig Zelte von Einheimischen, die 4×4’s kurven nur so um uns herum.
Wir beschliessen, jedenfalls nicht mitzumachen. Das ist ja fürchterlich, so viele Leute.
Das sind wir gar nicht mehr gewöhnt.
Wir fahren zurück und nach Tariat ‚rein. Ein rechtes Kaff!
Am Südufer des Sees finden wir einen netten Platz. Heike und Hermann stehen schon da, wir stellen uns dazu. Später setzen wir um direkt an das Ufer-herrlich, nur Tiere und in ordentlicher Entfernung Zelte von mongolischen Touristen. Die Mongolen haben Urlaub und sind im Land unterwegs zu Bekanntschaft und Verwandtschaft. Die uns am nächsten stehen sprechen sogar Deutsch. Der junge Mann arbeitet beim Bergbau, seine Ausbildung bekam er in Deutschland, in der ehemaligen DDR. Sein Vater hatte Medizin in Leipzig studiert.
Die alte DDR hatte ein Kultur-und Freundschaftsprogramm mit der Mongolei. Noch immer sprechen viele Mongolen Deutsch. Davon profitieren alle heute noch. Deshalb gibt es auch sicher fast in jedem kleinen Supermarkt „Rügenfisch“-Büchsen zu kaufen. Artikel von „A&P“, von „Ja“, von „dm“ sind Gang und Gäbe.
Wir waschen Wäsche, faulenzen, bearbeiten unsere Bilder und erfreuen uns an dem schönen Platz. Morgens und abends kommen die Yaks zu uns. Paar Tage später fahren wir weiter.

Die neue Piste wird so richtig furchtbar: LkW-Wellblech, gröbster Kiesel, leicht angeschüttet, sodass man nicht ‚runter kommt. Ein Leidensweg im Schneckentempo. Aber wir haben Zeit und ja nicht, weder Kfz noch Kabine mitsamt der Halterung, überfordern! Dann kann es richtige Probleme geben, dafür haben wir keine Lust und Werkstätten wollen wir auch keine kennen lernen. Nun, man gewöhnt sich an diese langsame Fahrweise-Postkutschen waren früher auch nicht schnell.

Die Strecke führt später meist im Tal des Ider entlang, durch sehr hübsche gebirgige Landschaft. Sie führt über kleine Pässe mit vielen Blumen, z.B. wunderschönen Astern, an vielen Jurten und Herden vorbei nach Ikh Gul. Hier gibt es etliche kleine Supermärkte. Wir haben eine nette Begegnung mit einer Mongolin, die ausgezeichnetes Deutsch spricht und inzwischen in Ulan Bator arbeitet. Und wir lernen eine junge Mongolin kennen, die sehr gut Tirolerisch spricht. Sie studiert am Tourismuskolleg in Innsbruck und ist jetzt zum Urlaub hier bei der Familie.
Die Piste bleibt schlimm. Endlich, bergauf, bergab, kommen wir nach Tosontsengel, ich sage immer „Tot und Engel“, je nach Pistenzustand. Manchmal ist er sogar annehmbar-wir sind ja nicht verwöhnt.
Wir treffen einen Radl Fahrer, der ab hier mit seinem Fahrrad den Bus nimmt bis Tariat. Auf dem Rad kann man nicht mal schnell 20l Wasser mitnehmen, Essen dazu für ein paar Tage, das ist fast nicht möglich. Und es ist sicher bewunderungswürdig, auf diesen Pisten, durchs Gebirge, ohne wirkliche Versorgung über manchmal bis zu 300km sich überhaupt durchzukämpfen.
Auch hier im Ort gibt es ein paar Läden, sogar einen „Nomin-Supermarkt“. Es ist aber nur der Name, mehr nicht.

Dann wird ist der Pistenzustand zwischen annehmbar bis furchtbar. Man glaubt es nicht, es gibt noch Steigerungen. Kein Wunder, donnern doch hier die großen LkW mit und ohne Hänger mit schätzungsweise 20-40t über die Piste. Bei jedem Wetter. Wie die Piste dann nach einer Regenperiode und nach Tauwetter aussieht, kann man sich gut vorstellen. Die Fahrer muss man bewundern, was sie da für einen Job machen.
Inzwischen ist alles abgetrocknet und jede Furche muss ausgefahren werden. Ganz schlimm ist es, wenn man nicht ‚runter kommt zum Ausweichen um die tiefen Löcher und Runsen. Wenn die Piste in zig Spuren 1-2 km, vielleicht auch mal 5km breit, verläuft, kann man sich die schönste Spur suchen.
Wobei die schönste immer die ist, wo die anderen fahren. Logisch.

Wir arbeiten uns regelrecht im Tal des Ider vor, nahe der Stadt Ider treffen wir Marion und Walter wieder, die auch schwer kämpfen. Ein kleiner Plausch am Strassenrand, mehr Zeit ist nicht, sie müssen noch Goliath, Walter’s und Marion’s MAN, gemeinsam mit einem netten Mongolen reparieren. Und wir wollen um keinen Preis diese miserable Piste zurück fahren. 20Km sind zwei Stunden. Wir sehen uns in Thailand! Viel Glück Ihr Zwei!
Die „Großen“ sind bei weitem nicht immer im Vorteil. Sie können eben oft nicht um die tiefen Löcher herumkurven, der Radstand ist oft zu lang zum schonenden Ausfahren von den tiefen Kuhlen. Endlos, mit unheimlicher Fernsicht auf den Pässen, ab und an in der Ferne eine kleine Staubfahne, so führt uns die Piste durch die mongolischen Weiten. Kaum ein Auto kommt uns entgegen, eine Ruhe ist das, unwahrscheinlich!

Auf einmal sehen wir eine kleine Siedlung, einen Wasserkanal, Pferdeherden, Rinder, Schafe und erstaunlicherweise Geier quasi en masse! Es scheinen Mönchsgeier zu sein. Ein tolles Schauspiel. Kein Aas ist zu sehen, im wahrsten Sinne des Wortes. Es schaut eher danach aus als wenn langsam die Paarungszeit eintritt. Lange schauen wir zu, wie sie regelrecht miteinander „spielen“, wie sie balzen, sich zieren.

Dann rumpeln wir langsam, an kleineren Baustellen vorbei. Wo gibt’s die nicht in der Mongolei. Eigentlich machen sie aber unsere gerade mal annehmbare kleine Piste schlechter als sie ist. Ab und zu passieren wir sogar ein befestigtes Haus, eine kleine Hofstelle. Viele blühende Blumen begleiten uns. Es geht hoch auf den sog. Fischpass, den Zagastai mit 2565m. Frisch ist es hier oben am Oboo, windig, bewölkt. Die Mongolen sammeln um uns herum in den Wiesen große und wirklich schöne Champignons. Wir parken hier, machen Mittag und haben diesmal leider keine so tolle Sicht!

Gute zwei Stunden später kommen wir zum „Eingangstor“ von der Provinz Ulia Stai, die Stadt sehen wir schon in der Ferne liegen.
Vor kurzem hat es hier wohl ziemlich geregnet, die quasi Strasse ist matschig, die obligatorischen Baustellen erzwingen Umwege durch halben Sumpf und große Pfützen.
Also ansprechend ist die Stadt nicht. Wenigstens sind in der Stadt die meisten Strassen asphaltiert. Die Piste hoch zum Tempel ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Auch nicht schlimm. Einkaufen ist jetzt die Hauptsache, dann fahren wir gleich wieder hinaus in das Tal vom Bogdin Gol, der aus dem Gebiet vom heiligen Berg Otgontenger herab kommt. Oberhalb finden wir einen schönen Platz, wo wir mit einem deutschen Lehrerpaar stehen. Und an ihrer Biertischgarnitur über Gott und die Welt plauschen. Viele einheimische Touristen zelten unten direkt am Bach, aber was, wenn es wieder richtig giesst? Der Himmel lässt nicht unbedingt Gutes ahnen. Aber wir haben heute herrlichstes Wetter bekommen und wollen alle vier zusammen wenigstens so weit ins Tal des Bogdin Gol hinein fahren, bis wir den Otgontenger sehen. Den heiligen Berg der Mongolei.
Die Piste ist bis auf ein paar nicht so tolle Kilometer in Ordnung, landschaftlich sehr schön, sie wird ja auch kaum befahren. Für größere LkW’s ist sie überhaupt nicht geeignet. Die Einheimischen haben im Tal ihre Jurten auf den Sommerweiden aufgestellt. Bei manchen stehen sogar Waschmaschinen vor dem Zelt, das Wasser kommt per Tauchpumpe aus dem Fluss, der Strom von den Solarpaneels. Aber hinten, wo es so schön ist, bleiben wir lieber nicht, die Piste hat stellenweise gerade mal Autobreite. Das Wetter flösst uns Respekt ein. Die dicksten Wolken verziehen sich aber erst einmal.
Inzwischen hören wir von anderen, dass es im Norden Pisten weggerissen hat, die nördliche Strecke ab Ulaangom stellenweise nicht befahrbar sein soll.
Wir hören aber auch, dass im Altai die Maul-und Klauenseuche ausgebrochen ist. Die schönsten Gebiete im nördlichen Altai sind aus diesem Grund derzeit für jeden, der von ausserhalb kommt, gesperrt. Na, hoffentlich ist das derzeitige Sperrgebiet dann wieder für uns offen!
Wir bleiben noch auf unserem Platz über dem Tal. Ab und an kommt ein Mongole zum Plauschen, ein anderer treibt seine Ziegen jeden Morgen und Abend bei uns vorbei. Bis ihn die Neugier packt und er doch endlich mal ins Auto schauen möchte.

Dann machen wir uns auch wieder auf den Weg. Zuerst heisst es aber nochmal ordentlich einkaufen, Bestände in der Markthalle und im Supermarkt auffüllen für die nächste längere Strecke. Wir kommen, nein, wir wollen aus der Markthalle ‚raus zum Auto: Es giesst wie aus Kübeln. Die Strasse wird regelrecht „geflutet“. Gott sei Dank versickert alles sehr schnell, die Piste soll gut und fest sein, sie ist steinig bis Schotter.
Notfalls bleiben wir eben für die Nacht frühzeitig stehen und warten ab. Vor der Stadt essen wir Mittag, schauen wie es so wird. Es hört auf zu regnen. Es wird gut, blauer Himmel lugt vor.
Wir fahren weiter.

Wie es so weiter geht, das erzählen wir Euch dann im nächsten Bericht, dem letzten über unsere Fahrt durch die Mongolei. Vielleicht aber nicht mehr so ausführlich. Ihr solltet aber lesen, dass man gaaanz langsam fahrend, Rücksicht nehmend auf das Wetter gut und ohne große Pannen durch kommt.

Unser nächstes Ziel ist die Stadt Altai, das Altai-Gebirge und die Grenze nach Russland.