in Ü-Tsang (Zentraltibet)
10.04.2010 bis 13.04.2010
Zentraltibet – Lhasa
Wir fahren in Lhasa ein und bekommen unseren Stellplatz auf dem Hof vom Hotel Thangka. Da hat Thubten für uns gegen einen kleinen Obulus einen schönen Platz gefunden: ruhig, etwas geschützt, Toilette mit Wasserschlauch-Dusche, Internet und das Wichtigste: super zentral gelegen. Das Hotel liegt 2 Minuten vom Jokhang-Tempel entfernt. Wir kommen alle drei gut unter, selbst für den LkW reicht die Durchfahrtshöhe!
Was aus dem Wetter wird, wissen wir nicht. Es ist sehr bedeckt. Also schnell zum Jokhang-Tempel, zum Barkhor, d.h. dem inneren Pilgerweg und zum Potala schauen! Auf dem Weg noch schnell paar Postkarten kaufen!
Wir haben Angst, dass es regnen könnte, daß das Wetter zum Schlechten umschlägt und dann kein Foto mehr geht.
Erst langsam begreifen wir, dass wir tatsächlich in Lhasa sind. Wir sind von allem was wir sehen tief beeindruckt. Die innere Anspannung fällt langsam von uns ab.
Wir bestaunen die Tibeter, die auf dem inneren Pilgerweg unterwegs sind. Sie vertreten alle sozialen Schichten und kommen aus den verschiedensten Landesteilen Tibets nach Lhasa. Diese kulturelle Vielfalt zeigt sich uns hier in den verschiedenen Trachten, den traditionellen Frisuren und natürlich auch in dem herrlichen, traditionellen Familienschmuck. Manche Pilger tragen noch ihre althergebrachten tibetanischen Filzstiefel, andere tragen schon moderne Turnschuhe und manche Frauen auch modische Schuhe mit Absätzen. Dazu aber immer die langen Röcke mit der bunten, gestreiften Schürze drüber. Was uns besonders auffällt sind die tollen Hüte, die vorwiegend von den Männer getragen werden. Sie schauen aus wie die edlen „Westernhüte“ in Südamerika. Ob es da einen „Verbindungsweg von Hut zu Hut“ gibt?
Wir schlendern umher, sehen viele Gebetsmühlen mit Trommeln von ganz klein bis riesig groß, die alle eifrig, auch von uns, gedreht werden. Die Pilger tragen ihre Gebetsmühlen in der Hand, an den Ständen gibt es sie zu kaufen. Natürlich auch für uns. Das muss sein.
Kleine Tempel im alten, nicht zerstörten Teil der Stadt, wo die Pilger ihre Habseligkeiten ablegen und übernachten können, müssen wir auch erkunden. Die Atmosphäre hier im Halbdunkel ist für uns ‚was ganz Besonderes. So viel geballte Tradition, so eine spürbare Dichte an gelebtem tiefen Glauben haben wir bisher nirgends erlebt. So kommen wir in die Gebetsräume wo die Butterlampen brennen, mannshohe Gebetsmühlen darauf warten, gedreht zu werden und wo Buddha, in seinen verschiedenen Inkarnationen dargestellt ist. Mal als Skulptur, mal als farbenfrohes Gemälde. Wir sehen wunderschöne Tanghkas, wir sehen Mandalas,
Hier wo die Götter auf uns angsteinflößend herab schauen, leben die Mönche. Sie sind gerade dabei ganz weltlich zu essen, zu scherzen, Tee zu kochen. Sie sind dabei ihre Öllampen zu verkaufen und die Spendengelder zu zählen. Andere beten oder studieren. Auf dem Hof ist ein kleiner Laden, wo die Pilger das Notwendigste erstehen können.
Und überall die totale Überwachung durch das Militär und den Geheimdienst. Auf den Dächern und z.T. Balkonen sind Kameras installiert, Soldaten stationiert und Herren in dunklen Anzügen haben uns, wir sind zu dritt unterwegs, quasi „auf dem Kieker“. Wir merken es, verteilen uns in drei Richtungen. Unsere „Begleiter“ wissen nicht, wem sie von uns nun folgen sollen und geben Richtung Jonkhang auf.
In einem kleinen Tempel ruft ein Offizier „Hallo“, ich weiss gleich, wer gemeint ist, höre aber nicht. Mal sehen, was kommt. Ein anderer Soldat holt mich ein und der Herr Offizier entschuldigt sich höflich auf Englisch! Er möchte meine Bilder sehen.
Ich zeige ihm die letzten 50 Stück auf dem Display meines Fotoapparats. Die sind so klein, dass er eh nichts sieht und um Vergrößerung bittet er nicht. Er findet keine militärischen Objekte auf meinen Bildern. Ich darf alle Bilder behalten. Ich hatte wohlwissend schon die ganze Zeit darauf geachtet, ja keinen Militär oder Polizisten auf dem Bild zu erwischen. Ärger wollen wir nicht und auch keine möglichen unangenehmen „Abenteuer“ erleben.
Es ist hier eben so, wie in der früheren DDR, wo es immer erschwerend hinzu kam, Berliner zu sein. Wir durften auf den Transitstrecken nicht einmal auf einem normalen Parkplatz anhalten, geschweige denn fotografieren. Da kamen sofort die Vopos aus dem Nichts. Fragen stellen gab’s auch nicht.
Man stand immer mit einem Fuss im Gefängnis wenn man von Westberlin auf den Transitstrecken durch die Zone fuhr. Das war schon Gewohnheitssache. So ähnlich ist das hier auch. Unsere Mitfahrerin Uta kam sich des öfteren „wie zu Hause“ vor. Sie wuchs „im Osten“ auf. Wenn man sich fügt und sich nicht irritieren lässt von solchen Sachen, ist Tibet angenehm zu bereisen, die Leute sind herzlich, es ist ein faszinierendes Land. Man kann alles machen, alles fotografieren und filmen bis auf das, was verboten ist. Das ist nicht so viel. Und wenn es schlimm wird, dann darf man eh nicht hinfahren.
In der Stadt, nahe beim Jokhang-Tempel drängeln sich die Pilger an den vielen Ständen wo es Gebetsmühlen, Schmuck, Gebetsschnüre und Gebetsketten zu kaufen gibt. Sicher bringen sie Andenken mit nach Hause. Natürlich kann man hier auch die allgegenwärtigen Gebetsfähnchen aus Lhasa kaufen. Später werden wir sehen, wie sie im Sera-Kloster bedruckt werden.
Am nächsten Tag gehen wir vormittags in den Norbulingka, auf Deutsch „Juwelengarten“. Heute ein großes Museum, das zum Weltkulturerbe gehört.
Es ist ein (in alten Zeiten) etwas ausserhalb gelegenes Gebiet, wo die traditionellen Sommerresidenzen der ehemals weltlichen und religiösen Führung Tibets stehen. Es ist ein wunderschönes, parkähnlich angelegtes Gelände mit den Palästen der Dalai Lamas, den Häusern der mitgereisten religiösen und staatlichen Verwaltungsangestellten, den Mönchen und der Dienerschaft. Hierher zog während der Sommerzeit die gesamte tibetische Regierung um.
Den Palast des jetzigen, des 14. Dalai Lamas, den er selbst nur einmal gesehen hat, dürfen wir ebenfalls besichtigen. Man merkt aber, dass dort nie jemand gelebt und gebetet hat-es ist ein „totes“ Gebäude.
Kleine Tempelchen, Seen, Teiche, blühende Bäume, farbenprächtige Häuser und Paläste bestaunen wir bei herrlichstem Wetter. Das Drehen der zahlreichen Gebetstrommeln hat sich offensichtlich gelohnt, na, und brav waren wir sowieso immer. Fast den ganzen Vormittag sind wir im Norbulingka unterwegs.
Anschliessend geht es zurück in die Stadt. Wir bummeln durch die Strassen. Wir sehen die Stände, und Geschäfte, wo die Butter für die Butterlampen in den Tempeln verkauft wird. Größtenteils wird sie in riesigen Rollen-1m lang, gut 40cm im Durchmesser, aus Neuseeland importiert. Inzwischen ist sie natürlich ranzig und nicht mehr fürs Butterbrot geeignet. Es gibt Metzger, die fuchsteufelswild werden, wenn man sie fotografieren will. Es gibt Stände mit dem steinharten, getrockneten Frischkäse aus Yakmilch und natürlich auch, wir sind schliesslich in China, tolle Sportgeschäfte. Hier kosten die NorthFace-Anoraks wenig, Kimberlay-Rucksäcke nicht viel. Es gibt alles, wie beim Sporthaus Schuster in München-zu einem Bruchteil der Münchner Preise. Ein Einkaufseldorado. Uwe kauft sich einen guten Rucksack, den alten bekommt ein recht verdutzter Bettler. Es wird ihm klar sein, dass sich das Beten für ihn gelohnt hat.
Unser Ziel ist der Jokhang-Tempel, die bedeutendste buddhistische Tempelanlage Tibets. Vor dem Haupteingang haben wir schon die Tage die Betenden beobachtet, wie sie sich ein ums andere mal niederwerfen, zig Mal, den Körper geschützt durch eine Matte, Hand-und Knieschützern, die das Gleiten auf dem harte Steinboden erleichtern. Von den Tausenden Pilgern, die hier seit schon Jahrhunderten kommen, ist der Granitboden blank poliert. Wir bestaunen den Tempel, den großen hochverehrten und reich verzierten Buddha im Inneren, die großen Gebetshallen, die vielen großen und kleinen Butterlampen, die Wandmalereien und beobachten die tief Gläubigen bei ihren religiösen Handlungen. Leider dürfen wir keine Fotos im Inneren des Tempels machen.
Die Aussenanlage, die bronzenen und vergoldeten Ziegel der Dächer, das Dharma-Rad, flankiert von jeweils einer vergoldeten Gazelle über dem Eingang, begeistern uns. Wir schauen uns auch die ökologische und effektive Isolierung der Wände an, die man besonders auf den Dächern sieht. Man kann es auf einem Foto von uns betrachten. Der Blick vom Dach in die Umgebung, auf die Stadt und natürlich hinüber zum Potala ist toll!
Auf einmal hören wir Gesang, Frauenstimmen, rhythmisch, freundlich, irgendwie „Gute-Laune-Lieder“. Die wunderschönen Lieder singen junge Frauen, die auf althergebrachte Weise (der Jokhang ist Weltkulturerbe) die Lehm-Böden stampfen. Mit einem Stock, an den ein flacher Stein gesteckt ist, wird die schwere Arbeit geleistet. Sie wechseln sich mit einer Gruppe von jungen Männern ab. Sie stampfen so lange, bis der Lehmboden wie gebohnert ausschaut.
Zum Abschluss wird er mit Öl behandelt, dann ist er gegen Frost und Regen regelrecht versiegelt. Zum Schluss unserer Besichtigung kommen wir noch in Hektik, können gar nicht alles anschauen weil der Tempel schliesst. Fast drei Stunden für die Besichtigung waren schon wieder viel zu wenig für uns. Wieder einmal mehr ziehen wir durch die Stadt, gehen einkaufen, kochen Abendessen, gehen im Hotel ins Internet. Beobachten die Leute beim Glücksspiel. Natürlich schauen wir uns auch die nächtliche Stadt an. Aber gerade als wir den Fotoapparat eingestellt und in Position gebracht haben, geht die Beleuchtung vom Jokhang aus. Lhasas Illumination erlischt, überall. So ein Ärger!!
Der nächste Tag wird aufregend. Thupten, unser Guide, hat die Eintrittskarten für den Potala für heute reserviert bekommen. Ohne offizielle Reservierung durch einen Guide bekommt ein Tourist wie wir keine Eintrittserlaubnis und damit keine Karte.
Gleich morgens sind wir am Eingang, stellen uns brav in die Reihe, Thupten mit der Reservierung vorneweg und jeder von uns kann dann seine Eintrittskarte selbst kaufen, ca. 25 €p.P. Voller Erwartungen gehen wir beim neuen Eingang ‚rein, zum alten Haupteingang, die ewig lange Steintreppe hoch und vom inneren Hof dann in den inneren Bereich des Potala. Ab sofort ist Fotografieren verboten. Manchmal jucken die Finger, aber wir wollen uns beherrschen und keinen Ärger oder gar ‚Rauswurf heraufbeschwören. Fasziniert gehen wir durch die Räume der ehemals staatlichen Macht des vergangenen Tibets und durch die Räume der religiösen Macht dieses buddhistischen Zentrums: Im roten Teil des Potala sind die Räume der Dalai Lamas untergebracht, dazu die zahlreichen reichgeschmückten wertvollen Chörten der früheren Inkarnationen des derzeitigen Dalai Lamas. Das Grab des 5. Dalai Lamas z.B. besteht aus 3,7t purem Gold und ist ca 17,5m hoch!
Wir sehen die Privaträume des derzeitigen Dalai Lamas, große buddhistische Bibliotheken, gut behütete Götterstatuen. So geht dieser Prunk weiter in Meditationshallen, Kapellen, Tempeln. Herrliche Gemälde und geschnitzte Statuen zeigen sich uns in ihrer ganzen Pracht. Die Inhalte und die Bedeutungen der Darstellungen können wir nicht erkennen: es fehlt die Zeit und das Wissen. Der Guide versucht sein Bestes, aber es ist schwer, auf Englisch erklärten Buddhismus zu verstehen. Wir werden regelrecht von Eindrücken, gesehenen und gefühlten, zugeschüttet. Heute noch ist der Potala das Lebensziel jeden buddhistischen Pilgers in Tibet.
Viele Bücher haben wir gelesen über Zentralasien, besitzen einige antiquarische Bücher selbst und sind natürlich unheimlich glücklich, hier umherlaufen zu dürfen, im Potala, den in alten Zeiten kein einfacher Tibeter je betreten durfte. Geschweige denn ein Ausländer.
Letztendlich haben wir drei Tage und vier Nächte in Lhasa verbracht. Alle großen Klöster können wir nicht anschauen. Aber das Sera-Kloster wollen wir noch sehen. Wir fahren gleich mit der Taxe in das alte Kloster Sera. Eines der drei großen Klöster des Gelug-Ordens, das von Schülern Tsongkhapas, des Gründers dieses „Gelbmützen-Ordens“, gegründet wurde. Es liegt 3-4 Kilometer entfernt von Lhasa.
Zur Kulturrevolution wurde das Kloster weitgehend zerstört, ab 1980 aber wieder renoviert, restauriert oder auch neu aufgebaut. Heute leben hier wieder ca. 750 Mönche, die u.a. Religionsphilosophie studieren. Das Kloster selbst steht unter Denkmalschutz. Es ist eine kleine Stadt für sich.
Das Kloster besteht aus verschiedenen (33) Hallen, wir würden sagen Studiensälen, der großen Versammlungshalle und natürlich den normalen Wohngebäuden und Werkstätten.
Das größte Gebäude ist die vier Stockwerke hohe, 2000 qm große und von 125 Säulen getragene Versammlungshalle. Vor dem Kloster haben sie etliche Garküchen aufgestellt. Da werden wir erst ‚was gutes Essen, aus einem nächstgelegenen Lädchen holen wir ein Bier, setzten uns an die eigentlich für Bayern typischen Biertische und geniessen. Das Essen und unser Da-Sein. Dann geht es für die nächsten zwei Stunden ins Kloster: Wir besichtigen die zahllosen Tempel und Säle, beobachten die Mönche, gehen in die Druckerei, interessieren uns für die Architektur der Häuser.
Das ist heute unser letzter Tag in Lhasa. Nachmittags kommt die Lhasa-Vertretung unserer Reiseagentur aus Chengdu und eröfffnet uns zwei Dinge:
a – es kommt die Presse aus Lhasa und will uns interviewen, denn wir sind dieses Jahr die ersten Touristen, die mit dem eigenen Auto von Laos durch Osttibet nach Lhasa kommen durften und
b – wir bekommen einen neuen Guide. Einen für Zentralasien, denn Thupten hat für dieses Gebiet keine offizielle chinesische Erlaubnis.
Wir sind traurig, wissen wir doch nicht, wer nun wieder kommt. Hoffentlich kein zweiter Wang. Thupten war uns ein guter Freund geworden, immer bereit, alles mitzumachen ohne Murren, immer unkompliziert, unerschrocken und ein großer Diplomat, wenn es mal wieder Schwierigkeiten gab.
Nein, es kommt Buchung, auf englisch, wie er selbst sagt, heisst das „Little boy“. Auch er ist Tibeter, ehemaliger Mönch aus Lhatse, der als Bettelmönch durch Tibet zog und natürlich immer noch die Klöster und viele Mönche kennt. Schwierigkeiten mit Übernachten gab es bei ihm nie, er ging ggf. ins Kloster oder in einfache Unterkünfte für tibetische Reisende, so wie Thupten auch. Buchung ist immer lustig, gemütlich, könnte uns mit religiösen Fragen und Antworten absolut überfordern, tut es aber nicht, denn er weiss, wie schwierig seine Religion bzw. Philosophie für uns wäre. Auch er spricht fliessend Englisch, kennt jede Piste und jeden Pfad. Wir haben ihn ins Herz geschlossen.
Wie der letzte Abschnitt unserer Reise weiter geht berichten wir im nächsten Teil, wenn wir Lhasa verlassen und zur Grenze nach Nepal fahren.